Installation am Klinikum zeigt emotionale Reise einer Demenzerkrankung
Freudenstadt. Ein großer Baum erstreckt sich durch das Foyer des Klinikums Landkreis Freudenstadt. In seinen Zweigen hängen Zettel mit Stichworten. Unter der Krone verläuft eine Linie, die sacht anfängt und sich in wilde Kurven steigert, bevor sie ausgleitet. Es ist die Emotionskurve einer Demenzerkrankung. Die audiovisuelle Installation mit dem Titel „Leben mit Demenz – und wie geht´s Dir sonst so?“ ist bis Ende Januar am Klinikum zu sehen.
Die Ausstellung ist eine Kooperation des Klinikums Landkreis Freudenstadt mit der Informationsdesignerin Sarah Brendecke und dem DemenzNetz Landkreis Freudenstadt, für dessen inhaltliche Arbeit und Moderation sich Oberarzt Dr. Klaus Rademacher, Leiter des Geriatrischer Schwerpunkts am Klinikum Freudenstadt, und Alexander Menges MBA, kommissarischer Chefarzt der Psychiatrischen Klinik am Klinikum Landkreis Freudenstadt, verantwortlich zeichnen.
In der von Sarah Brendecke entworfenen Baum-Installation erzählt die Designerin, stellvertretend für zahllose andere Betroffene und Angehörige, von der Demenzerkrankung ihres Vaters Hermann. „Es ist wichtig, Geschichten weiterzugeben“, sagt Brendecke. „Denn darin sind auch Tipps und Erfahrungswerte enthalten“. Vor allem bietet die Installation einen Anlaufpunkt, um über Demenz ins Gespräch zu kommen. Genau das, wissen alle Kooperationspartner, ist immens wichtig für die Angehörigen.
Trotz Belastungen hat das Leben noch viele schöne Momente
Ursprünglich entstanden ist die Installation als Projekt im Rahmen eines weiterbildenden Master-Studiums. Sarah Brendecke befasst sich darin mit den Möglichkeiten von Kunst und Design in der Hilfe von Betroffenen und Angehörigen. „Die Diagnose Demenz ist hart – da gibt es nichts zu leugnen“, weiß Sarah Brendecke. „Aber es ist nicht der Anfang vom Ende.“ Auch mit einer Demenzerkrankung könne das Leben noch viele schöne Momente haben. Doch diese müsse man lernen, zu nutzen. „Kunst bietet hier eine sehr schöne Möglichkeit für gemeinsame Aktivitäten. Denn in der Kunst gibt es kein richtig oder falsch“, betont die Designerin.
Entlang eines Zeitstrahls und der Emotionskurve erzählt die Installation vom Verlauf der Erkrankung und des Familienlebens. Zwischendurch sind QR-Codes platziert. Sie führen per Smartphone zu Audiodateien, in denen Sarah Brendeckes Mutter Geschichten und Anekdoten erzählt. Von belastenden und erheiternden Situationen, von hilfreichen Tipps, Herausforderungen und Kniffen, die man sich einfallen lässt, um das Gesicht der erkrankten Person zu wahren. Was auffällt: Viele der Geschichten werden mit Heiterkeit erzählt. „Trotz der Belastungen hatten wir viele schöne Momente“, blickt Sarah Brendecke zurück.
Über Demenz wird zu wenig gesprochen
Demenz ein Thema, über das nach wie vor kaum offen gesprochen wird. Für Betroffene und Angehörige ist das schwierig – diese Erfahrungen machen auch die Teams des Klinikums Landkreis Freudenstadt und des DemenzNetz Landkreis Freudenstadt. Die audiovisuelle Kunst-Installation im Foyer des Klinikums soll deshalb nicht nur Bewusstsein schaffen und Einblicke in das Thema Demenz liefern. Der Titel „Leben mit Demenz – und wie geht´s Dir sonst so?“ zeigt: Die Installation soll vor allem auch als Gesprächsöffner dienen.
„Wir müssen dringend Hemmschwellen senken“, appelliert Designerin Sarah Brendecke. In den Audio-Beiträgen schildert ihre Mutter, wie schwierig beispielsweise die nachbarliche Zurückhaltung nach der Erkrankung war und wie hilfreich schon kleine Gesten sind. Etwa eine Einladung zum Spaziergang, oder ein Hinweis, wenn Seltsames beobachtet wird. „Viele Menschen sind gerne bereit zu helfen, wenn man sie um etwas Konkretes fragt“, blickt Sarah Brendecke zurück. Aber die Hemmschwellen für das Erbitten von Hilfe sind oft hoch.
Die Installation im Foyer des Klinikums ist gerade deshalb wirkungsvoll, weil sie eine persönliche Erzählung aus Sicht einer betroffenen Familie ist. Sarah Brendeckes 2022 verstorbener Vater war gerade 60, als die Diagnose Demenz kam. Sie selbst nahm ein halbes Jahr Pflegezeit, um ihre Mutter zu unterstützen und zog während der Corona-Lockdowns, mit den langen Homeoffice-Phasen, vorrübergehend zu den Eltern. „Man muss die Zeit nutzen, die man miteinander hat“, betont Sarah Brendecke. Dass diese endlich ist, zeigt die Emotionskurve auf dem Zeitstrahl, die schließlich ausläuft und verblasst.
Weitere Informationen
Die Installation „Leben mit Demenz – und wie geht´s Dir sonst so?“ ist eine Kooperation des Klinikums Landkreis Freudenstadt mit dem DemenzNetz Landkreis Freudenstadt. Initiiert und ungesetzt wurde die Ausstellung von der Projektgruppe „Versorgung geriatrischer Patienten:innen“. Die Installation ist bis Ende Januar im Foyer des Klinikums Landkreis Freudenstadt zu sehen. Teile der Installation und der Audiodateien können auch online aufgerufen werden unter sarahbrendecke.de, Menüpunkt „Masterprojekt“.