Adipositas-Zentrum Nordschwarzwald macht sich für Entstigmatisierung stark
Freudenstadt. Adipositas ist eine chronische Erkrankung, die immer noch um Akzeptanz kämpft. Zum Welt-Adipositas-Tag am 4. März möchte die Deutsche Adipositas Gesellschaft deshalb Bewusstsein schaffen und das Krankheitsbild entstigmatisieren. Ein Anliegen, das Chefarzt Priv.-Doz. Dr. med. René Hennig, Leiter des Adipositas-Zentrums am Klinikum Freudenstadt, unterstützt. Denn auch in Freudenstadt gehen die Fallzahlen stetig nach oben.
Bis die Patienten im Adipositas-Zentrum ankommen, haben sie meist einen langen Leidensweg hinter sich. „Körperlich und psychisch“, erklärt Priv.-Doz. Dr. med. René Hennig, Leiter des Adipositas-Zentrums Nordschwarzwald am Klinikum Freudenstadt. Adipositas ist eine Ernährungs- und Stoffwechselkrankheit, von der rund ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland betroffen ist – und zunehmend auch Kinder und Jugendliche. Seit Jahren gehen die Fallzahlen nach oben, auch in Freudenstadt. In der Therapie der Adipositas ist Deutschland jedoch ein Entwicklungsland. Bereits im Jahr 2000 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Adipositas als chronische Erkrankung anerkannt, die EU im Jahr 2006 – Deutschland allerdings erst 2020. „Den Betroffenen wird häufig suggeriert, dass Adipositas keine Krankheit, sondern eine Charakterschwäche und Undiszipliniertheit sei“, schildert Priv.-Doz. Dr. med. René Hennig.
Disziplin reicht nicht, es braucht fachliche Hilfe
Zu den körperlichen Auswirkungen von Adipositas – zu den Begleiterkrankungen gehören beispielsweise Diabetes mellitus, Hypertonus oder frühzeitiger Gelenkverschleiß – kommt oft die soziale Isolation. „Manche Patienten konnten über Jahre kaum noch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen“, beschreibt Hennig. Gemeinsam mit allen in der Adipositas-Medizin erfahrenen Kollegen bemüht sich der Leiter des Adipositas-Zentrums Nordschwarzwald deshalb darum, Adipositas zu entstigmatisieren. „Wir müssen davon wegkommen, es als selbstverschuldetes Leiden zu sehen“, appelliert Priv.-Doz. Dr. med. Hennig. „Adipositas entsteht nicht einfach, indem man zu viel isst. Es ist eine chronische Erkrankung mit komplexen Ursachen und einem oft fehlenden Sättigungsgefühl. Das Verhältnis von Nahrungsmittelaufnahme und -bedarf stimmt nicht. Hier braucht es eine entsprechende fachliche Hilfe.“
Komplexes Krankheitsbild erfordert interdisziplinäre Behandlung
Da konservative Maßnahmen, auch mit ärztlich geführten Ernährungs- und Bewegungsprogrammen, leider häufig erfolglos sind, stellen chirurgische Therapien für viele Betroffene die letzte, auch effektivste und nachhaltigste Möglichkeit dar. „Bis jemand zu uns kommt, hat er meist schon alles andere probiert. Egal ob Diäten oder Sportprogramme“, sagt der Leiter des Adipositas-Zentrums. „Diese Menschen sind nicht undiszipliniert, sie sind verzweifelt.“
Die Therapie am Adipositas-Zentrum findet deshalb in einem interdisziplinären Team aus Ärzten und Therapeuten aus den Bereichen Innere Medizin und Endokrinologie, Chirurgie, Psychiatrie und Psychosomatik sowie Ernährungsberatung statt. Für die Behandlung der Adipositas stehen in Freudenstadt, wie in anderen Zentren auch, verschiedene Operationsverfahren zur Verfügung, die auf eine Reduzierung der Magenkapazität und die verminderte Aufnahme von Nährstoffen zielen. Welche Therapie oder Operation für die Patienten jeweils empfehlenswert ist, entscheidet das Adipositas-Board, in dem alle Spezialisten zusammensitzen.
Gefahr von Spätfolgen kann gesenkt werden
Optische Anliegen oder Idealmaße sind dabei nebensächlich. Im Fokus stehen die Stabilisierung und Wiederherstellung des allgemeinen Gesundheitszustandes der Patienten. „Gewichtsabnahme ist oft gar nicht das erste Zeichen des Behandlungserfolges“, beschreibt Priv.-Doz. Dr. med. René Hennig. Die schnellsten und wichtigsten Erfolge zeigen sich eher in einem Absinken des Blutzuckerspiegels, dank dessen ein Absetzen der Diabetesmedikamente und des Insulins möglich wird. Damit sinkt auch die Gefahr von Spätfolgen wie Durchblutungsstörungen mit Nieren- und Augenschädigungen, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Auch ein Bluthochdruck normalisiert sich sehr früh, sodass oft auf Blutdruck senkende Medikamente verzichtet werden kann. „Diese Begleiterkrankungen stellen oft die größere Lebensbedrohung dar und erhöhen den Leidensdruck immens“, erklärt Hennig.
Für den Leiter des Adipositas-Zentrums Nordschwarzwald und sein Team ist eine Behandlung erfolgreich, wenn die Patienten mit einer stabilen Gesundheit wieder ein normales Leben führen können. Die Zahl der Patienten am Adipositas-Zentrum steigt seit der Eröffnung 2022 stetig an. Mit dem Umzug in den Klinik-Neubau haben sich auch die Kapazitäten des Zentrums erweitert. Wöchentlich werden bariatrische Operationen zur Gewichtsreduktion durchgeführt. „Die Behandlungserfolge sind sehr gut, bei einer sehr geringen Komplikationsrate und hoher Patientenzufriedenheit. Das ist für uns das Wichtigste“, so Priv.-Doz. Dr. med. René Hennig.
Der Weg ins Adipositas-Zentrum Nordschwarzwald
Erste Anlaufstelle für Patienten ist immer die Sprechstunde des Adipositas-Zentrums am Klinikum Freudenstadt. Dort findet eine Anamnese statt und die Patienten erhalten umfassende Informationen zu Operationen und konservativen Behandlungsmöglichkeiten. „Wenn sich ein Patient dann zur Behandlung entschließt, folgt eine umfangreiche interdisziplinäre Untersuchung. Anschließend entscheiden wir, welche Behandlung am besten wäre“, beschreibt Priv.-Doz. Dr. med. René Hennig. Die Kosten einer Operation werden von der Krankenkasse übernommen.
Kontaktmöglichkeiten und Angebote des Adipositas-Zentrums im Nordschwarzwald sind auf der Website des Klinikums Freudenstadt zu finden unter www.klf-web.de, Rubrik „Abteilungen finden“ und dort unter dem Menüpunkt „Zentren“ (Klinik Freudenstadt -Adipositaszentrum (klf-web.de).